Lampenfieber – Was unser Nervensystem damit zu tun hat

Lampenfieber und Nervensystem gehören zusammen. Wenn wir aufgeregt sind, Herzklopfen bekommen oder vor einer Rede plötzlich ein trockener Mund und schwitzige Hände auftreten, dann ist das kein persönliches Versagen – es ist Biologie. Genauer gesagt: Es ist die Arbeit unseres Nervensystems. Wer die Zusammenhänge versteht, kann besser mit Lampenfieber umgehen – und es vielleicht sogar als Kraftquelle nutzen.


Somatisches und Vegetatives Nervensystem

Unser Nervensystem gliedert sich grob in zwei große Bereiche: das somatische und das vegetative Nervensystem.

Das Somatische Nervensystem (SNS)

Das somatische Nervensystem ist für die bewusste Steuerung unseres Körpers zuständig. Es kontrolliert willentlich unsere Skelettmuskulatur und verarbeitet Reize aus unseren Sinnesorganen.

  • ich rieche Blumenduft und atme tief ein 
  • ich höre gute Musik, drehe lauter und tanze
  • ich sehe eine Freundin und winke ihr

Das Vegetative Nervensystem (VNS)

Ganz anders funktioniert das vegetative Nervensystem. Es arbeitet autonom, unwillkürlich – und ist rund um die Uhr aktiv, selbst im Schlaf.
Es steuert lebenswichtige Vorgänge wie:

  • Herzfrequenz

  • Atemvolumen und -rhythmus

  • Verdauung

  • Durchblutung

  • Schweißproduktion

➡️ Ich kann nicht bewusst steuern, wie schnell mein Herz schlägt.
➡️ Ich kann meine Verdauung nicht einfach willentlich beeinflussen.


Sympathikus und Parasympathikus – das innere Gleichgewicht

Das vegetative Nervensystem ist zweigeteilt: in den Sympathikus und den Parasympathikus. Diese beiden Anteile arbeiten ständig zusammen, um unseren Körper an äußere Anforderungen anzupassen.


Der Sympathikus – bereit für Leistung

Der Sympathikus ist unser innerer Energiemotor. Er wird immer dann aktiv, wenn Leistung gefragt ist – körperlich oder geistig. In der Evolution war das vor allem in Gefahrensituationen der Fall: Kampf oder Flucht („fight or flight“).

Auch heute reagiert unser Körper bei Stress – etwa vor einem Vortrag oder Auftritt – ähnlich wie damals in der Wildnis:

  • Die Herzfrequenz steigt

  • Die Atmung wird schneller

  • Die Muskulatur wird besser durchblutet

  • Die Verdauung wird zurückgefahren

Das ist keine Fehlfunktion, sondern ein Energieschub. Der Körper stellt uns Ressourcen zur Verfügung, um wach, präsent und handlungsbereit zu sein. Deshalb darf man Lampenfieber nicht nur als Störung sehen – es ist ein Zeichen von Aktivierung. Ohne eine gewisse Spannung gäbe es keine Präsenz auf der Bühne, keine klangvolle Stimme, keine Ausdruckskraft.


Der Parasympathikus – Regeneration und Verdauung

Nach dem Auftritt, in Ruhe oder nach dem Essen übernimmt der Parasympathikus die Regie. Jetzt heißt es: entspannen, regenerieren, verdauen – „rest and digest“.

Typische Reaktionen des Parasympathikus:

  • Langsame, tiefe Atmung

  • Geringere Muskelspannung

  • Umverteilung der Durchblutung zugunsten innerer Organe und Schleimhäute

Der Körper fährt herunter – damit er Kraft für die nächsten Anforderungen sammeln kann.


Lampenfieber und Nervensystem sind ein gutes Team

Sympathikus und Parasympathikus wechseln sich ständig ab – wie ein gut eingespieltes Team. Je nach Situation dominiert der eine oder andere. Beim Auftritt ist Spannung nötig, nach dem Auftritt Entspannung.
Statt gegen Lampenfieber zu kämpfen, können wir lernen, es zu verstehen – und mit gezielten Übungen wie Atmung, Bewegung und Vorbereitung den Körper in Balance zu bringen.

Denn: Präsenz entsteht nicht durch völlige Ruhe, sondern durch gut dosierte Energie. Und genau das liefert unser Nervensystem – wenn wir es lassen.

Die BRAVO Formel
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